Kristina Beck von der Augsburger Allgemeinen recherchierte zum Thema „Kassenbonpflicht und ihre Umsetzung bzw. Erfahrungen in Augsburg“. Hierzu erschien am 11. Januar 2020 ein Beitrag in der Augsburger Allgemeinen.
Da nur ein kleiner Teil unseres Interviews im Beitrag verarbeitet wurde, finden Sie es nachstehend in der ungekürzten Fassung.
Kristina Beck (Augsburger Allgemeine): Im Rahmen meiner Recherche ist mir zu Ohren gekommen, dass Sie einen Antrag auf Befreiung von der Belegausgabepflicht gestellt haben, der allerdings abgelehnt wurde. Nun planen Sie, die ausgedruckten Bons zu sammeln, wie ich auf Facebook lesen durfte. Sie wollen sich der Aktion, die Bons direkt im Briefkasten vom Finanzamt zu entsorgen, anschließen. Was steckt genau dahinter?
Ramona Dorner (rutaNatur): Leider wurde unser Antrag abgelehnt. Im Ablehnungsschreiben hieß es u.a., dass auch „Umweltgesichtspunkte nicht ausreichend für die Annahme einer sachlichen Härte“ seien. Das stimmt uns sehr nachdenklich und macht uns traurig.
Die gesammelten Kassenbons bei der Stelle abzugeben, die sie haben wollte, erscheint uns daher ein logischer Schritt zu sein. Über das wie und wo müssen wir uns noch Gedanken machen. Da ein einzelnes Finanzamt ja auch nur die Vorgaben des Bundesfinanzministeriums ausführen kann, wäre eine groß angelegte Aktion in Berlin zusammen mit vielen anderen Betroffenen natürlich noch viel sinnvoller. Wir überlegen uns daher noch, wie wir damit umgehen.
Kristina Beck: Was halten Sie im Allgemeinen von der Bonpflicht?
Ramona Dorner: Wir verstehen und unterstützen die Absicht des Gesetzgebers, Steuerbetrug verhindern zu wollen. Nur ist der Zwangsbon aus unserer Sicht hierfür kein geeignetes Mittel. Da moderne, vorschriftsmäßige Kassensysteme, auch jetzt schon Geschäftsvorfälle lückenlos und unveränderbar aufzeichnen, wäre es ein Leichtes, Verstöße nachzuweisen. Dazu braucht es keinen Zwangsbon.
Die Belegausgabepflicht ist Teil der neuen Kassensicherungsverordnung in deren Zusammenhang im Laufe dieses Jahres auch noch alle Kassen mit einer sogenannten Technischen Sicherungseinheit (TSE) aufgerüstet werden müssen, was Manipulationen praktisch völlig unmöglich macht. Unter diesem erweiterten Aspekt, wird die Vorschrift nochmals absurder.
Kristina Beck: Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen, auch vonseiten der Kundschaft?
Ramona Dorner: Für uns als alternativer Laden ist die Bonpflicht eine besonders schlimme Sache. Uns wurde der Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsgedanke nicht nachträglich aufgedrückt, sondern ist der maßgebliche Grund unserer Existenz. Das ist der Grund, warum die Menschen zu uns kommen und das Projekt „rutaNatur – Unverpackt Augsburg“ unterstützen.
Dementsprechend reagieren die Kunden zum Teil auch mit Kopfschütteln und Unverständnis. Andererseits spüren wir aber meist auch große Solidarität, wenn wir erwähnen, dass wir nach wie vor dran sind und uns gegen die Bonpflicht zur Wehr setzen.
Kristina Beck: Welche Nachteile oder Vorteile sehen Sie bei dieser Verordnung?
Ramona Dorner: Da wir keinen tieferen Sinn erkennen können, sehen wir darin vor allem eine staatlich verordnete Müllproduktion, die so gar nicht mehr in unsere Zeit passt. Auch bei der Alternative, Bons auf elektronischem Weg zum Kunden zu übertragen, steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen. Selbst wenn es hierfür demnächst funktionierende und bezahlbare Lösungen geben sollte, werden wohl die meisten unserer Kunden auch einen E-Bon für ihren Tageseinkauf an Obst, Gemüse und Getreide ablehnen. Denn auch digitaler Müll ist Müll und verbraucht trotzdem wertvolle Energie.
Vorteile? Darüber haben wir uns ehrlich gesagt nicht so viele Gedanken gemacht, vielleicht Umsatzsteigerung und damit auch höhere Steuereinnahmen durch den Verkauf von Bonrollen oder elektronischen Lösungen hierfür.
Kristina Beck: Wie hoch ist der damit verbundene Aufwand (Finanzen, Material, Arbeitsaufwand)?
Ramona Dorner: Bis Ende des letzten Jahres haben wir die Bons nur auf Kundenwunsch ausgedruckt. Die meisten unserer Kunden haben den Bon bislang abgelehnt. Aus diesem Grund können wir den damit verbundenen Aufwand noch nicht beziffern. Wir können aber bereits sagen, dass er erheblich steigen wird.
Kristina Beck: Wie sehen Ihre nächsten Schritte in dieser Richtung aus?
Ramona Dorner: Zunächst haben wir Einspruch gegen die Ablehnung eingereicht – auch mit dem Hinweis, dass der Bon mit unserem Kassensystem auf Wunsch auch noch nachträglich ausgedruckt werden kann. Die Entscheidung hierzu steht noch aus.
Der Verband der Unverpackt-Läden, bei dem auch wir Mitglied sind, hat bereits vor einigen Wochen eine Petition gegen die Belegausgabepflicht auf der „offiziellen Petitionsplattform“ des Deutschen Bundestags eingereicht. Allerdings ist die Petition seitdem „in der Prüfung“ und leider noch nicht freigegeben.
Zusammengefasst ist aber wichtig, dass wir alle – die betroffenen Unternehmen und die Verbraucher – nicht müde werden auch weiterhin daran zu arbeiten, dass dieser Teil der Verordnung wieder aufgehoben wird.
Und um auf den Eingangspunkt mit den gesammelten Bons zurückzukommen: Auch wenn das Finanzministerium in Berlin in einem monumentalem Gebäude untergebracht ist, dürfte es nicht schwierig sein, es unter dem Berg, der in Deutschland erzeugten Kassenbons in kurzer Zeit verschwinden zu lassen – ein lustiger Gedanke, wenn das Thema nicht so traurig wäre.
Hier geht’s zum Beitrag in der Augsburger Allgemeinen …